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Muhammad Ali wurde 70
das herausragende Schwergewicht
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Er war ein Provokateur, ein Künstler und bleibt ein Mythos:
Wie aus Cassius Clay Muhammad Ali wurde.
Ein Leben in zehn Kämpfen.
von Martin Krauss
Muhammad Ali zeigt sich auch im Alter noch kämpferisch.
Bild: dpa
1.: 5. 9. 1960, Rom, Olympisches Finale Halbschwergewicht: Cassius Clay vs. Z
bigniew Pietrzykowski, Punktsieg
Olympiasieger Cassius Clay ist stolz auf sein Land.
Von einem sowjetischen Journalisten auf den Rassismus in den USA angesprochen,
erklärt er: "Sagen Sie Ihren Lesern, dass wir qualifizierte Leute haben,
die an diesem Problem arbeiten, und dass ich mir keine Sorgen mache!"
Das Land dankt es Clay nicht: Als er mit Freunden in seiner Heimatstadt
Louisville den Olympiasieg feiern will, wird er in einem Schnellrestaurant
nicht bedient. Angeblich wirft er aus Ärger vor der rassistischen Zurücksetzung
die Medaille in den Ohio River.
2.: 18. 6. 1963, London: Cassius Clay vs. Henry Cooper. TKO in der 5. Runde
Vor seinem ersten Auftritt als Profi außerhalb der USA erhält Cassius Clay
Post von Bertrand Russell: "Unser Henry ist stark, aber ich glaube, Sie
gewinnen." Clay antwortete dem Philosophen, Mathematiker und
Literaturnobelpreisträger: "Sie sind nicht so blöd, wie Sie aussehen."
Clay geht in dem Kampf einmal zu Boden - erstmalig in seiner
Profilaufbahn -, gewinnt aber durch technischen K. o., sogar so, wie er es
vorher angekündigt hatte: in der 5. Runde. Und es beginnt eine Korrespondenz
zwischen Russell und Ali, die bis zu Russells Tod 1970 andauert.
3.: 25. 2. 1964, Miami Beach, WM-Kampf: Cassius Clay vs. Sonny Liston.
TKO i. d. 7. Runde
Weltmeister Sonny Liston gilt als härtester Puncher seiner Zeit,
und der vorbestrafte Analphabet ist eine Marionette der Mafia.
Der junge Cassius Clay, gemanagt von einer weißen Sponsorengruppe aus
Louisville, ist da eine "weiße Hoffnung". Clay hält Demonstrationen vor
Listons Trainingslager ab.
In Clays Camp taucht immer öfter Malcolm X von der Nation of Islam auf.
Ali gewinnt sensationell: Liston bleibt völlig erschöpft und zermürbt
zu Beginn der 7. Runde sitzen. Clay verkündet nach dem Kampf seinen
Übertritt zu den Black Muslims und legt seinen "Sklavennamen Cassius
Clay" ab - bald heißt er Muhammad Ali.
4.: 22. 11. 1965, Las Vegas, WM-Kampf: Muhammad Ali vs.
Floyd Patterson: K. o., 12. Runde
Patterson ist ein schwarzer Exweltmeister. Über Ali sagt er:
"Clay muss besiegt und der Boxsport von der Geißel der Black
Muslims befreit werden." Im Kampf blafft Ali Patterson an: "Komm her,
weißes Amerika, sag mir meinen Namen. Whats my name, fool?"
Er hält Patterson zwölf Runden am Rande des K. o., weigert sich aber,
ihn durch einen Niederschlag zu erlösen. Ein WM-Kampf als Bestrafung.
Ein Jahr später verteidigt Ali in einem Zeitungsbeitrag: "Menschen
in unserer Demokratie haben das Recht, anders zu sein."
5.: 28. 4. 1967, Houston, Kampf um die Einberufung: Muhammad Ali vs.
United States Armed Forces: Niederlage
Schon bevor er zur Rekrutierungskommission einbestellt wird, stellt Ali klar:
"I aint get no quarrel with them Vietcong" - ich habe keinen
Ärger mit dem Vietkong. Etwa 20 Ali-Fans demonstrieren. "Draft Beer -
Not Ali" steht auf den Plakaten: Zapft Bier, lasst Ali hier! Als der Name
"Cassius Clay" aufgerufen wird, tut sich nichts.
Auch nicht beim Namen "Muhammad Ali". Ali wird wegen
Kriegsdienstverweigerung zu fünf Jahren Haft verurteilt.
Seine Boxlizenz und seinen WM-Titel muss er abgeben.
In den nächsten Jahren wird er Redner vor rebellierenden
Studenten und Schauspieler in einem Off-Broadway-Stück.
6.: 8. 3. 1971, New York, WM-Kampf: Muhammad Ali vs. Joe Frazier.
Niederlage nach Punkten in der 15. Runde
Drei Jahre Berufsverbot liegen hinter Ali.
Sein Trainer Angelo Dundee sagt, als er mit 29 Jahren
wieder in den Ring tritt: "Den besten Ali haben
wir nie gesehen." Weltmeister ist mittlerweile Joe Frazier,
der Kampf gegen Ali gilt als "Fight of the Century", als
Kampf des Jahrhunderts. Ali sagt vorher: "Die Einzigen, die
Frazier die Stange halten, sind Weiße in Anzügen, Sheriffs aus
Alabama und Typen vom Ku-Klux-Klan. Ich aber kämpfe für die kleinen
Leute aus dem Ghetto."
Frazier, der anders als Ali, wirklich aus dem Ghetto kommt,
ist empört; drei Jahre zuvor hatte Frazier seinem Freund Ali sogar
Geld gegeben. Der Kampf wird eine klare Sache: Frazier gewinnt.
Alis Zukunft ist ungewiss.
7.: 30. 10. 1974, Kinshasa, WM-Kampf: Muhammad Ali vs. George Foreman.
K. o. in der 8. Runde
Weltmeister ist George Foreman, der lange als unbesiegbar gilt.
Der ist, wie damals Sonny Liston, ein harter Puncher. Der Promoter
Don King sorgt dafür, dass der Kampf im unabhängigen Afrika stattfindet,
im Zaire des Diktators Mobuto. Ali will die politische Symbolik:
Wie die US-Army in den Wäldern von Vietnam zermürbt wird, so will er
Foreman in Afrika bekämpfen. Es wird der legendäre "Rumble in the Jungle".
Ali sagt später: "Niemand hatte je von Vietnam gehört, bis dort Krieg war.
Niemand hatte je von Korea gehört, bis dort Krieg war.
Niemand hatte je von Zaire gehört, bis ich dort kämpfte.
Und mich zu bezahlen ist deutlich billiger, als einen Krieg zu führen."
George Foreman ist der Gegenentwurf zu Ali: Als Olympiasieger 1968
lief er mit einer Stars-and-Stripes-Flagge durch den Ring,
distanzierte sich so von den protestierenden schwarzen US-Athleten.
Der Kampf Ali - Foreman wird zur Parabel auf den Vietnamkrieg.
Ali: "George wirft mit Bomben nach meinem Kopf."
Wie die USA Vietnam mit einem Flächenbombardement überziehen,
drischt Foreman auf Ali ein. Doch der beweist im Boxring die
gleiche Leidensfähigkeit wie der Vietkong. In der 8. Runde holt
Ali zum Schlag aus: Die amerikanische Weltmacht geht k. o., wird entthront -
und das mitten im afrikanischen Dschungel.
8.: 1. 10. 1975, Manila, WM-Kampf: Muhammad Ali vs. Joe Frazier. TKO in der 14. Runde
Ein dritter Kampf mit Joe Frazier steht an: Der erste ging an Frazier,
der zweite an Ali. Der "Thrilla in Manila" ist wieder ein Kampf in einen
unabhängig gewordenen Dritte-Welt-Staat, diesmal auf den Philippinen.
Ali beschimpft seinen Gegner: Der sei "hässlich" und ein "dummer Gorilla".
Der Kampf wird zur brutalen Ringschlacht, Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit
tun ihr Übriges. Beide Boxer kämpfen bis zur totalen Erschöpfung.
Ali zum Ende der 14. Runde: "Ich frage mich, ob ich die letzte
Runde überhaupt noch schaffen werde." Gegen Fraziers Willen
wirft dessen Trainer das Handtuch. Ali will jubeln, doch er bricht zusammen.
Beide Boxer müssen ins Krankenhaus. Es ist der einzige Kampf,
den Ali sich nie im nachhinein anschaut.
9.: 20. 7. 1996, Atlanta, Kampf um Symbolkraft, Muhammad Ali vs.
Olympisches Feuer: Sieg nach nur wenigen Versuchen
Bei den Olympischen Spielen 1996 heißt zur großen Überraschung der
Weltöffentlichkeit der letzte Fackelträger Muhammad Ali.
Vier Milliarden TV-Zuschauer sehen den von Parkinson gezeichneten
zitternden Mann im weißen Trainingsanzug, wie der das Olympische Feuer entzündet.
Ali hat sich Respekt erkämpft.
Die Schriftstellerin Joyce Carol Oates: "Wer hätte je gedacht,
dass der einsame schwarze Athlet Ali, der von den Medien geächtet wurde,
einmal das Sinnbild einer neuen Ära werden sollte?"
10.: 4. 11. 2008, USA, Kampf um die Präsidentschaft, Barack Obama vs.
John McCain: Sieg mit 53 Prozent aller Wahlmänner
Barack Obama, der am Ende des Wahlkampfs erster schwarzer Präsident
der USA sein wird, führt seine Kampagne von einem Schreibtisch,
über dem ein Poster von Muhammad Ali hängt.
Obama sagt über Ali: "Er ist und wird es immer sein: der Champ."
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